Sound und Landscape – aus diesen Wörtern setzt sich das von Murray Schafer geprägte Wort Soundscape zusammen. Es geht um Klänge und Geräusche, die Musik sind und eine Komposition werden können. Ein unendliches Thema, das sowohl praktisch als auch theoretisch sehr viel Spaß macht.

World Soundscape Projekt

1971 wurde das World Soundscape Projekt begründet. Sein Ziel: Klänge aus aller Welt aufnehmen, erforschen und dokumentieren. Von verschiedenen Forschern wurden Klänge auf der ganzen Welt aufgenommen und gesammelt. Dabei entsteht die World Soundscape Library, also eine Bibliothek der Klänge. Ländliche Klänge werden neben städtische gestellt, verschiedene Städte verglichen und auch der Wandel mit der Zeit interessiert die Forscher. Welche Klänge sterben aus, weil zum Beispiel die Maschinen, die sie erzeugten, veraltet sind? Die Klänge einer Dampflock werden immer seltener in Deutschland. Ziel ist es, zu dokumentieren, aber auch eine Lösung zu finden, dass menschliche Kommunikation und Klänge ein ausgewogenes Verhältnis zur Natur haben und unsere Welt nicht in „Klangverschmutzung“ versinkt.

Soundwalk

Bei einem Soundwalk sucht man sich einen Weg aus und während man diesen geht, achtet man auf alle Geräusche, die man hört. Welche sind leise? Welche laut? Welche im Hintergrund? Welche im Vordergrund? Welche kommen von weit her? Welche erzeuge ich selbst? Was ist das leiseste Geräusch, was ich höre? Sind rhythmische Geräusche dabei? Gibt es arhythmische, wiederkehrende Geräusche? Höre ich Geräusche, von denen ich nicht weiß, wo sie her kommen?

Es gibt dabei einen ganz bestimmten Unterschied zwischen hören und zuhören. Hören tun wir quasi ständig. Immer und überall prasseln Geräusche auf uns ein. Interessanter ist aber das zuhören, das bewusste hinhören, wahrnehmen und beschreiben.

Beispiele für Soundwalk-Projekte:

www.freiburg-ost-im-ohr.de

www.spaziergaeng.de

Einen Tag lang zuhören

Musik umgibt uns, egal wo wir sind. Sie hat die große Macht, uns zu manipulieren, der wir uns oft nicht bewusst sind. Beobachte einmal einen Tag lang die Musik und die Geräusche auf die Du triffst. Das kann ganz schön spannend sein.

Als Anregung einfach mal einen Morgen aus meinem Leben:

Morgens beim Aufstehen: Irgendwas klingelt, das nervt, es soll aufhören! (Ich schlage mit meiner Hand dahin, wo ich den Wecker vermute.) Endlich Ruhe. Ich genieße die Stille und schon nach einigen Sekunden nehme ich wieder die Stimmen der Personen in meinem Traum wahr. Aber schon wieder beginnt das piepsen meines Weckers. Jetzt bin ich wach.

Die Vögel zwitschern schon vor meinem Fenster und vermitteln mir, dass es schon hell sein muss, es ist also Sommer. Mein Vater hört Radio, die Musik wirkt verquer in meinem müden Kopf. Ich klettere aus dem leise quitschenden Bett und öffne meine knartschende Tür. Die Klospülung ist ein so gewohntes Geräusch, dass ich es schon ewig nicht mehr bewusst wahrgenommen habe, aber das Geräusch beim Öffnen des Fensters nervt mich jedes mal wieder. Dann esse ich mein allmorgendliches Müsli, im Gegensatz zu Brötchen oder ähnlichem macht das Kauen keine Geräusche aber das regelmäßige Kratzen des Löffels über den Teller macht einen leisen, nicht unangenehmen Ton.

Dann wieder die Treppe rauf. Beim Runtergehen hatte mich das klackern des Geschirrs in der Küche in seinen Bann gezogen, jetzt achte ich mehr auf die Töne der Treppenstufen. Nicht alle sind genau gleich und die Schritte auf dem Treppenabsatz klingen viel tiefer als die Stufen. Beim Zähneputzen achte ich immer genau auf den Klang. Wir nutzen elektrische Zahnbürsten und am Klang lässt sich erkennen, wie voll die noch geladen sind. Klingt die Zahnbürste tief muss sie bald auf die Ladestation. Bevor ich aus der Tür gehe höre ich mir noch an, wie mein Rucksack beim Aufsetzen klingt: Das Wasser schunkelt in der Flasche, sie ist nicht ganz voll gefüllt. Außerdem reiben die Brotdosen aneinander.

Ich verlasse das Haus und genieße draußen die Stille. So früh morgens sind nur wenige Leute schon unterwegs. Wie fast jeden Morgen verlässt zur gleichen Zeit ein Bus seine Garage. Ich kann ihn zwar nicht sehen, aber hören und weiß, dass er in ein paar Minuten an mir vorbeifahren wird. Meine Schritte sind kaum hörbar, dafür aber die Schnalle von meinem Rucksack, die bei jedem Schritt ein Geräusch macht. Dann höre ich einen weiteren Bus fahren, diesmal in der anderen Richtung. Ich werfe einen Blick auf meine tickende Uhr und renne los, in der Hoffnung, dass die Ampel gleich grün wird und zu piepen beginnt, so dass ich den Bus noch erreiche…

AUFGABE: Geräusche und Musik hören

So viele Geräusche und noch viel mehr lassen sich mit Leichtigkeit finden. Achte einmal darauf, wie Dich beim Einkaufen oder auch in Filmen die Musik beeinflussen soll oder überlege, wie lange Geräuschentwickler wohl für das Zuschlaggeräusch Deiner Autotür gebraucht haben…

Für Erwachsene ist das eine sehr tolle Übung, die Umwelt bewusster wahrzunehmen. Kinder nehmen diese Geräusche oft automatisch wahr und finden es viel spannender, darüber zu sprechen. Probier es einfach mal aus!

Mensch gegen Natur?

In der Theorie werden die Klänge sortiert nach

1) biophony: von Lebewesen erzeugte Klänge

2) geophony: von unbelebter Natur erzeugte Klänge (Wind, Wasser, Erdbeben, etc.)

3) anthrophony: von Menschen erzeugte Klänge

Wo hört ihr was? Hört ihr in der Stadt auch biophone und geophone Klänge? Gibt es im Wald auch anthrophone Klänge? Was ist lauter, was ist leiser? Sollte man einige Klänge kritisch betrachten? Gibt es störende Klänge oder gehört alles zu einem großen musikalischen Gesamtkunstwerk?

Es gibt die Acoustic Ecology/Soundscape Ecology, die die Auswirkungen der klanglichen Umgebung auf die Lebewesen vor Ort untersucht. Durch sogenannte noise pollution, also Klangverschmutzung, werden Tiere und Menschen beeinflusst. Tiere können ihre Kommunikation nicht mehr verwenden, beispielsweise verirren sich Wale, wenn Windräder oder Ölplattformen laute Geräusche machen. Vögel können sich daran sogar anpassen: Sie verändern ihren Gesang, wenn die Umgebung zu laut ist und singen beispielsweise höher, damit ihre Partner(innen) sie noch hören können. Bei Menschen lösen Lautstärke und dauernde Hintergrundgeräusche Stress aus, wie Anwohner von Windparks immer wieder beklagen.

Schizophonie

Schizophonie? Das klingt ja fast wie Schizophrenie. – Genau so ist es auch gemeint. Die Schizophonie beschreibt das getrennt sein. Ein Klang kann in Zeiten von Tonaufnahmen getrennt sein vom Urheber. Das Knacken eines Astes kann aufgenommen und um die ganze Welt geschickt und dort abgespielt werden, in völlig anderem Kontext und auch elektronisch verändert. Der Ast muss dazu nicht mitreisen. Wir können auf Tonaufnahmen nicht unbedingt alle Geräusche der Entstehung zuordnen. Manchmal ganz schön verwirrend. Aber auch reizvoll, sie absichtlich in andere Kontexte zu stellen und daraus ganz eigene Kompositionen entstehen zu lassen.

BEISPIEL: Stück für Straße, Baustelle und Flöte

in drei Sätzen

Dieses Stück für Straße, Baustelle und Flöte ist entstanden, als ich mein neues Aufnahmegerät unbedingt ausprobieren wollte und deshalb eine Klangcollage plante. Als ich auf der Suche nach Klängen war, hat mir ein Freund, Jesko, geraten, doch etwas mit Baustellengeräuschen und Flöte zu machen. Praktischer Weise wurde da gerade ein Haus in meiner Nähe abgerissen, von dem die Geräuschkulisse des zweiten „Satzes“ stammt.

Wie bin ich vorgegangen? Zuerst einmal habe ich mich auf den Balkon gesetzt und da etwa 4min Ton aufgenommen. Dann habe ich sechs Minuten bei dem Hausabriss gestanden und Ton aufgenommen und am Ende noch mal 6 min an einer Straße und 5min an Bahnschienen. Also ein relativ schnelles Projekt, was sich auch mal innerhalb einer Musikstunde realisieren lässt, wenn man seine Schüler z.B. in Kleingruppen losschicken will. Danach habe ich lange am PC gesessen, die Aufnahmen durchgehört und mir notiert, was spannend klingt. Auf einer groben Zeitleiste habe ich dann einen ersten Plan angefertigt. Recht schnell ist dabei klar geworden, dass es sich um ein dreisätziges Stück handeln wird.

Danach habe ich die Tondateien so aneinandergeschnitten, wie ich sie haben wollte. Ein paar kleine Änderungen haben sich dabei noch ergeben, aber im Großen und Ganzen habe ich mich an meine Planung gehalten. Und erst als das fertig war, habe ich dazu die Flöte eingespielt. Zuerst einfach nur improvisiert und dann noch einmal Stück für Stück. Ich habe mir immer die erste Improvisation angehört, geguckt, was man besser machen kann (z.B. stolper ich da hinter dem Klanghintergrund hinterher? Kann ich diese Idee evtl spielen, bevor sie im Klanghintergrund erscheint, quasi als Vorwegnahme? Soll die Flöte hier Solistin oder Begleiterin oder Partnerin sein?) und das dann so gespielt. Dann habe ich einige Stellen noch mal nachgebessert und fertig war dieses Stück in etwa 7 Zeitstunden.

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Quellen:

deutschsprachige Wikipedia: R. Murray Schafer; Soundscape

englischssprachige Wikipedia: R. Murray Schafer; World Soundscape Project; Soundscape Ecology

www.taz.de/!1820746

www.soundart.zkm.de/soundscapes-horstation

[alle am 10.02.2018]