Schüler*innen der Sekundarstufe, also in weiterführenden Schulen oder in außerschulischen musikpädagogischen Gruppen (Orchester, Jugendzentrum, Kulturzentrum, Musikschule, etc.) können sich im Bereich Musik in verschiedenen Lernumgebungen mit unterschiedlichen Zielsetzungen weiterbilden.
Formales Lernen
Beim Unterricht in der Schule – das können je nach (Bundes)-land Gesamtschule, Gemeinschaftsschule, Gymnasium oder weitere Schulen sein – treffen sich die Schüler*innen in einem formalen Umfeld zum Musiklernen. Durch Curricula und Lehrkräfte wird der Lernstoff vorgegeben. Außerdem müssen Ziele erreicht und Prüfungen abgelegt werden. Der Lernstoff richtet sich nicht in erster Linie nach den Interessen der Schüler*innen, sondern danach, dass sie ein umfassendes Wissen über Musikkultur und Musikpraxis erhalten, und Methoden erlernen, um sich in diesem Bereich weiterzubilden.
Das Beispielthema für diesen Beitrag soll „Rockstars“ sein. Wie ließe sich dieses Thema im Kontext Schule umsetzen? Ziel der Lehrkraft kann zum Beispiel sein, dass die Schüler*innen sich in Kleingruppenarbeit über je einen berühmten Rockmusiker des 20. Jahrhunderts und dessen Werk informieren. Eine spätere Zusammenstellung der Arbeiten ergibt dann ein Übersichtsbild, aus dem Gemeinsamkeiten erarbeitet werden. Methoden könnten Textanalyse, Musikanalyse, Referat, fiktiver Bericht aus der Zeit des Rockmusikers und vieles mehr sein. Typisch für das formale Lernen ist hier, dass die Lehrkraft das Thema, das Ziel und die Methoden vorgibt. Trotzdem können Schüler*innen in diesem vorgegebenen Rahmen eigenständig arbeiten.

Non-formales Lernen
In Jugendzentren, Orchestern, in der Rapgruppe im Tonstudio einer Musikschule oder dem Musikvideokurs in den Ferien treffen sich hingegen Kinder und Jugendliche, die an einem Thema bereits interessiert sind. Der Unterricht wird oft von Musikpädagog*innen oder Sozialpädagog*innen und Erzieher*innen mit Musikschwerpunkt strukturiert. Die angebotenen Themen orientieren sich an den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen. Diese werden über spannende Themen für die freiwillige Teilnahme am Projekt geworben. Partizipation an der Gestaltung von Lernprozessen ist hier unbedingt notwendig. Bereits vor dem Projekt bietet es sich an, die Zielgruppen in die Wahl der Angebote und Formate einzubeziehen.
Für unser Beispielthema „Rockstars“ wäre im non-formalen Lernraum eine Freizeitgruppe in Form einer Band-AG möglich. Der oder die Musikpüädagig*in erarbeitet mit den Schüler*innen die soziale Rolle des Rockstars in einer Band anhand von Videobeispielen und Originaltexten (z.B. Interviews). Die Lehrperson hat dabei vor allem die Expertenaufgabe, Impulse zu geben und Informationen zu vermitteln. Die Gruppe entscheidet dann frei, wie sie mit diesen Informationen umgeht. Die Gruppe in unserem Beispiel entscheidet sich, dass sie bei ihrem kommenden Auftritt beim Sommerfest der Schule in Kleidung auftreten möchte, die den Outfits echter Rockstars ähnelt. Sie recherchiert selbst in den gegebenen Videos und diskutiert, was sie benötigen. Die Gruppe zieht außerdem die Lehrperson hinzu, um Ressourcen (in diesem Fall Kleidung aus dem Schulfundus) zu organisieren.
Informelles Lernen
Nicht unbeachtet dürfen auch die informellen Lernumgebungen bleiben, in denen das Lernen selbstorganisiert stattfindet. Expert*innen werden nur bei Bedarf von den Lernenden hinzugezogen, aber übernehmen keine pädagogischen Aufgaben. Dies ist zum Beispiel in Bands der Fall, in denen sich die Schüler*innen selbst organisieren. Sie ziehen dabei ihr Wissen aus verschiedenen Quellen (z.B. Videos, Texte, Lehrbücher, Learning by Doing, Bezugsperson fragen) und setzen sich selbst ihre Ziele (oder eben auch keine Ziele). Auch kleine Lernmomente, wie das Experimentieren mit der Stimme unter der Dusche, können dazu gehören.
Aufgabe der Musikpädagogik für die informelle Lernumgebung kann sein, Räume zu schaffen, die das gemeinsame Lernen ermöglichen, Finanzierungen zu organisieren und zu unterstützen, wenn Lernende sich dazu entscheiden, Expertenwissen hinzuzuziehen (z.B. zur Organisation eines Auftrittes). Generell kann und wird informelles Lernen aber auch ganz ohne Pädagog*innen stattfinden. Die Pädagogik sollte nicht versuchen, einen Zugriff auf „nichtpädagogische Bildungskontexte von Kindern und Jugendlichen“ zu tätigen [Q01, S157].
Bei dem Thema „Rockstars“ hören sich in unserem Beispiel zwei Sechstklässler zum ersten Mal bewusst Rockmusik an, nachdem sie mit ihren Eltern über deren Musikgeschmack gesprochen haben. Diese zeigten ihnen auf YouTube ein Video der amerikanischen Band Guns N‘ Roses. Nun sitzen die Jungen am PC und suchen im Internet nach weiteren Songs der Band. Über die Vorschlagfunktion auf der Videoplattform landen sie bei Musik von weiteren berühmten Rockmusiker*innen. Sie tauschen sich darüber aus, welche Aspekte der gehörten Musik sie gut finden und entwickeln in diesem für sie neuen Genre einen Musikgeschmack.
Kritik an der Aufteilung in formal, non-formal und informell
Marc Godau erwähnt in seinem Aufsatz „Am besten ist, der Musiklehrer geht einen Kaffee trinken oder was weiß ich“ auch, dass bereits seit längerem berechtigte Kritik an der Aufteilung in formal, non-formal und informell geäußert wird [Q01, S.157]. Die Formen mischen sich in der Praxis, an einem Ort, wie zum Beispiel Schule, kann nicht nur eine Unterrichtsform (formal) stattfinden, sondern es finden immer verschiedene Unterrichtsformen statt. Auch die Lehrperson kann in einem Kontext und innerhalb einer Gruppe verschiedene Rollen einnehmen (siehe Bild).

In der Praxis können sich die Methoden und Ideen der verschiedenen Einstufungen gut befruchten, beispielsweise, wenn Lehrpersonen sich selbst ihrer Rolle in der Gruppe bewusst sind und diese gezielt einsetzen. So können die Möglichkeiten der Schüler*innnen selbstorganisiert und selbstbestimmt zu lernen, erweitert werden. Zur Bestimmung der Lehrer*innenrolle sollte beachtet werden, welche Ziele, Motivationen und Methoden in dem Kontext, in dem gearbeitet wird für wichtig erachtet werden.
Als weitere Lektüre empfehle ich den genannten Artikel von Marc Godau [Q01], der auch auf die spannende Diskussion eingeht, inwiefern non-formales und informelles Lernen Einzug in den Lernraum Schule mit seinem Curriculum nehmen können.
[Q01]: Godau, M.: Am besten ist, der Musiklehrer geht einen Kaffee trinken oder was weiß ich – Zur Lehrer_innenrolle in selbstständigen Lernprozessen im Musikunterricht. In: Knigge. J.; Niessen, A. (Hrsg.): Musikpädagogik und Erziehungswissenschaft. Münster, New York; 2016. (https://www.pedocs.de/volltexte/2018/15250/pdf/AMPF_2016_37_Godau_Am_besten_ist_der_Musiklehrer_geht_einen_Kaffee_trinken_oder_was_weiss_ich.pdf, Stand 20.06.2025)