Die meisten Musikschüler*innen werden die traditionelle Notenschrift lernen: Auf fünf Linien notiert, mit Notensymbolen für die verschiedenen rhythmischen Längen und mit vielen Sonderzeichen für Tonerhöhungen, Lautstärke oder Artikulation. Dies ist aber nicht die einzige Möglichkeit, Musik zu notieren. Verschiedene Varianten sind auch heute parallel zur traditionellen Notenschrift gebräuchlich.
Akkordsymbole

Wenn Du ein einfaches Liederbuch aufschlägst, werden Dir wahrscheinlich Akkordsymbole entgegenspringen. Das sind die großen und manchmal auch kleinen Buchstaben, die direkt über den Noten stehen.
Akkordsymbole sind viel freier zu interpretieren als klassische Notation. Ein großes G als Akkordsymbol bedeutet zum Beispiel: „Spiele G-Dur“. Es sagt nicht „Spiele G-Dur in der eingestrichenen Oktave in Quartsectstellung und enger Lage mit drei Tönen, in dem Du es anschlägst und vier Schläge lang hältst.“ Ja, es sagt noch nicht einmal „Spiele G-Dur auf dem Klavier“. Und weil es nur sagt: „Spiele G-Dur“, kann sich jede*r frei aussuchen, wie er oder sie G-Dur genau spielt.
AUFGABE: Akkordsymbole nutzen
Nimm ein Schul- oder Weihnachtsliederbuch zu Hand, bei dem die Akkordsymbole über den Noten stehen und versuche, diese auf Deinem Instrument zu spielen (Bei Melodieinstrumenten kann man die Töne des Akkordes nacheinander spielen.) Wenn Du das beherrschst, werde kreativ und versuche, die Akkorde auf möglichst verschiedene Arten zu spielen und denke Dir eine kleine „Choreographie“ aus (z.B. Strophe eins: Ein Anschlag pro Viertel, Refrain: Akkordbrechungen in Achteln). Nutze die neue Fähigkeit und begleite deine Familie, deinen Chor oder deine Schulklasse, während sie das Lied singen mit deinen Akkorden. Das kannst Du super vor Ferienbeginn oder an Weihnachten machen.
Tabulaturen

Viele Gitarrenspieler*innen kennen noch eine weitere Art der Notation: Die Tabulaturen (kurz: „Tabs“). Sie werden folgendermaßen gelesen: Die sechs Linien stellen die sechs Gitarrensaiten dar. Die unterste Linie ist dabei die tiefste Saite der Gitarre.
Die Zahlen auf den Linien zeigen, in welchem Bund die Saite abgedrückt werden muss. Eine 0 bedeutet, dass die Saite nicht abgedrückt, sondern die leere Saite angeschlagen wird. Eine 1 bedeutet, dass der Finger im ersten Bund die Saite abgreifen muss (also zwischen dem oberen „Ende des Halses“ und der ersten „Querlinie“ auf dem Griffbrett).
Der Vorteil dieser Notation ist, dass sie im Gegensatz zu klassischer Notation recht schnell zu lesen ist. Probiert es einfach mal aus, wenn ihr eine Gitarre besitzt. Tabs findet ihr im Internet in großer Zahl. Eine gute Quelle ist die Seite von Jürg Hochweber, der seine Gitarrentabs nach Schwierigkeit sortiert hat und kostenlos zur Verfügung stellt.
Autograf

Wenn man handschriftlich ein großes Werk in normaler Notenschrift schreiben will, wie es in vor-computerlichen Zeiten noch gemacht werden musste, dann dauert das ewig. Auch für schnelle Skizzen einer neuen Idee bietet sich die Handschrift an. Deshalb schreiben viele Komponisten, wenn die Ideen sprudeln, sogenannte Autografen. Dabei nutzen sie viele Zeichen, anhand derer sie später erkennen, was sie eigentlich schreiben wollten. Das ist ungefähr so, wie wenn wir Notizen schnell schreiben müssen und lauter Abkürzungen nutzen und Dinge weglassen, weil wir wissen, am Ende wird das ganze eh noch einmal richtig abgetippt. Rechts seht ihr den einer Klaviersonate von Beethoven und man erkennt: Das ist wirklich nur eine Skizze, die schwer lesbar ist. Und so sehen Autografen natürlich auch von Komponist zu Komponist individuell sehr unterschiedlich aus und zwischen lesbar und unlesbar ist alles dabei.
grafische Notation

Eine sehr freie Notationsart ist die grafische Notation. Das tolle an der grafischen Notation ist, dass man sie gut selbst nutzen kann und dabei so etwas wie „moderne Kunst“ schafft. Eine tolle Idee, um das Hinhören zu schulen oder gemeinsam Spaß an Musik zu haben. Die grafische Notation ist ein so umfassendes Thema, dass sie einen eigenen Artikel und einige Arbeitsblätter für die Schule ab Klasse 7 erhalten hat, die ihr bei eduki.com findet.
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Drei spannende Ansätze, wie grafische Notation im Schulunterricht eingesetzt werden kann.
Alternativen zur Notenschrift
Die traditionelle Notation ist ein hoch komplexes System, schwer zu erlernen und an manchen Stellen wirkt sie nicht unbedingt logisch [Q01, S.1]. Ziel von Experimenten, eine alternative zur Notenschrift zu finden, ist es in der Regel, Notenschrift zu vereinfachen, intuitiver zu gestalten und dabei trotzdem der Komplexität der dargestellten Musik gerecht zu werden [Q02, S.487]. Außerdem gibt es immer wieder Versuche, die Schrift logischer werden zu lassen, indem sie an ein bestimmtes Instrument oder einen Stil angepasst wird (z.B. Klavarskribo).
Heute ist die Situation so, dass Instrumentalist/innen viele verschiedene Stile spielen, die sehr unterschiedliche Anforderungen an Notation stellen und trotzdem zum Großteil in der traditionellen Notation notiert werden. Das hat natürlich den Vortreil, dass nur eine Schrift gelernt werden muss und diese bei den meisten Berufs- und auch Laienmusizierenden schon tief verwurzelt ist [Q03, S.22]. Für Neueinsteiger*innen in Sachen Musik scheint diese Schrift aber oft genug verwirrend.
Hinzufügen von Farben und Symbolen
Eine Idee, um Notation übersichtlicher zu machen, ist das Hinzufügen von Farben oder Symbolen. Hierdurch sollen musikalische Zusammenhänge auf den ersten Blick klar werden und die Notation ansprechender wirken [Q04, S.399]. Solche Systeme basieren auf der traditionellen Notation und können von vielen musikalisch versierten Menschen daher direkt gelesen werden [Q01, S.1]. Sie laufen allerdings Gefahr, das Notenbild weiter zu verkomplizieren, weil sie etwas hinzufügen.
Hummingbirdnotation

Die Hummingbirdnotation (www.hummingbirdnotation.com, Stand 27.10.2025) übernimmt von der traditionellen Notation die Linien und die Notenschlüssel. Sie fügt dem Notenkopf ein Symbol im Kreis hinzu, welches ebenfalls die Tonhöhe symbolisiert und zeigt die Tonlänge über einen angehängeten Strich. Kreuz- und B-Vorzeichen hängen ebenfalls direkt am Notenkopf. Musiker*innen könnten diese Notation aufgrund der Nähe zur traditionellen Notation recht schnell erlernen.
harmonischer Fingerabdruck

Hier haben drei Autor*innen der traditionellen Notenschrift einen „harmonischen Fingerabdruck“ hinzugefügt. Dieser wurde mathematisch errechnet und zeigt den Musizierenden vor allem, wo sich harmonische Zusammenhänge wiederholen. So soll ein schneller Verständnis der Musik erreicht werden. Dies gelingt am besten dort, wo sich die Harmonien einmal im Takt ändern, von den Autor*innen wird deshalb Tanzmusik vorgeschlagen. [Q01]
Markieren von Sequenzen und Motiven

Dieses Beispiel wurde von einer Klavierlehrerin erstellt. Sie fügt für ihre Schüler*innen farbige Markierungen ein, die Sequenzen und Motive markieren und so als musikalisch orientierte Gedächtnisstüze zusätzlich zur Notenschrift fungieren [Q05, S.91f].
Weglassen von Teilen der Notation
Das Gegenteil, nämlich das Weglassen bestimmter Teile der Notation, kann auch für mehr Übersicht sorgen. Insbesondere für Anfänger*innen kann es hilfreich sein, sich zunächst auf die relevantesten Bestandteile der Notation zu beschränken und diese nur nach und nach zu ergänzen. Hier sollte es allerdings nicht dazu kommen, dass die Musik vereinfacht wird, indem beispielsweise dynamische Angaben einfach ausgelöscht werden [Q02, S.487].
Dodekanotation

Die Dodekanotation (www.dodekamusic.com, Stand 27.10.2025) nutzt eine Darstellung aller zwölf Töne auf vier Linien ohne Vorzeichen. Außerdem verzichtet sie auf die symbolische Darstellung von Rhythmus und wählt stattdessen eine intuitive proportionale Darstellenung in Balkenlängen. Weitere Zeichen, beispielsweise für Artikulation und Dynamik werden wie gewohnt verwendet.
Modified Stave Notation

Die Modified Stave Notation ist eine Notation, die ursprünglich für Menschen mit Sehbehinderungen entwickelt wurde. Hier geht es darum, die traditionelle Notation an die Bedürfnisse des*der Einzelnen anzupassen, beispielsweise indem Zeilen vergrößert werden oder auch störende Zeichen (wie z.B. Phrasierungsbögen) ersetzt werden durch andere Symbole [Q06, Q05, S.134ff].
Eigenständige Schriften
Eigenständig entwickelte Schriften haben das Potential, möglichst viele Makel der traditionellen Notenschrift zu umgehen. Allerdings haben sie es schwer, sich durchzusetzen, weil es ihnen an Bekanntheit mangelt. Noten, die keine Zielgruppe haben, die sie lesen könnten, werden verständlicher Weise von den Verlagen kaum gedruckt [Q03, S.22]. Wird eine Schrift für ein bestimmtes Instrument entwickelt, so kann dies für Schüler*innen die Noten mit anderen tauschen wollen oder zwei Instrumente spielen, einen Nachteil bedeuten. Hier könnten allerdings elektronische Lösungen helfen, die die Noten „übersetzen“, so wie es auch für transponierende Instrumente möglich ist [Q03, S.19].
Jianpunotation/Ziffernotation

Die Jianpunotation ist in China auch heute noch verbreitet. Sie basiert auf einem Zählsystem, bei dem der Grundton einer Durtonart mit 1 bezeichnet wird, die weiteren Töne aufsteigend mit 2-7. Der Rhythmus stellt sich auch hier durch räumliche Proportionen, markiert durch waagerichte Striche dar, die Oktavlage durch Punkte über oder unter den Ziffern [Q07]. Diese Notation korreliert mit der relativen Solmisation.
Klavarskribo

Klavarskribo ist eine Notation extra für Tasteninstrumente, welche vor allem in den Niederlanden weite Verbreitung erfahren hat. Sie stellt tiefe Noten links dar und hohe Noten rechts, eben so, wie die Tasten auf einer Klaviatur angeordnet sind. Schwarze Notenköpfe sind schwarze Tasten und weiße Notenköpfe sind weiße Tasten. Gelesen wird von oben nach unten, wobei auch hier der räumliche Abstand den Rhythmus darstellt. Die Zählzeiten des Taktes sind zu Beginn markiert. [Q08]
Welche Notenschrift für welchen Menschen?
Folgende Fragen sollten bei der Entscheidung für oder gegen eine Notenschrift bedacht werden:
Welche Notenschrift wird im Umfeld gelernt?
Die meisten Schüler*innen lernen die traditionelle Notenschrift. So können Noten ausgetauscht werden, man kann sich darüber unterhalten, etc. Wird aber an einer Schule eine alternative Notenschrift gelernt und das Instrumentalspiel bleibt in diesem Umfeld, spricht nichts gegen die Alternative. Das selbe gilt zum Beispiel für Gitarrentabulaturen, die in einem Umfeld von Gitarrist*innen üblich ist. Wer aber in einem Orchester zunächst alle Noten umschreiben (lassen) muss, und sich nicht in den Noten anderer orientieren kann, wird schnell frustriert sein. (So kennen es im übrigen viele transponierende Instrumentalist*innen.)
Welche Literatur und Lehrmittel sind von Interesse?
Wer keine Noten in seiner Schrift findet oder nur ein sehr eingeschränktes Repertoire, der muss sich bald seine Stücke selbst heraushören und durch nachspielen lernen. Das ist nichts schlimmes, sollte aber bedacht werden. Wenn an einer Musikschule oder Schule nur eine alternative Notenschrift gelehrt wird, kann für die Schüler*innen schwer werden, über den Tellerrand zu schauen und sich einige Stücke zu suchen. Gitarrentabs hingegen sind in großer Zahl auf dem Markt verfügbar und auch zum Beispiel Kavarskribo setzt sich zunehmend durch und ist über das Internet weltweit zu erwerben.
Bestehen technische Lösungen zum Schreiben und Übersetzen? Kann von Hand geschrieben werden?
Eine gute Notenschrift sollte man auch selbst schreiben können. Für eine schnelle Handschrift sollten die Schriftzeichen nicht zu komplex sein. Für den Computer sollte es Schreibprogramme geben und ideal wäre es natürlich, wenn ein Prgramm von der traditionellen Schrift in die alternative Schrift übersetzen könnte, denn dies würde das Repertoire an verfügbaren Noten enorm erweitern.
Geht die alternative Notenschrift auf meine Probleme, mein Instrument und meinen Musikstil ein?
Wenn es bereits Probleme mit dem Lesen der traditionellen Notenschrift gab, so sollte analysiert werden, wo die Bedürfnisse des*r Schüler*in liegen. Gab es Raum-Lage-Schwierigkeiten, so kann es sich lohnen, auf eine Art der Tabulatur umzusteigen. Liegt die Problematik beim Nichterkennen von Pattern, so kann es helfen, wenn diese beispielsweise farblich verdeutlicht werden. Soll hauptsächlich Popmusik gespielt werden, kann die Nutzung von Text und Akkordsymbolen eine Lösung sein.
Fazit
Ansätze für alternative Notenschriften gibt es viele. Allerdings muss hier gesehen werden, wofür diese verwendet werden sollen. Geht es um eine Notenschrift für alle, bin ich weiterhin Fan der traditionellen Notenschrift. Sie ist allgemein bekannt, bereits erprobt in Erweiterungen für bestimmte Stile und Instrumente und wenn man sie erst mal lesen kann, gibt sie die Möglichkeit, sich fast jede Art von Musik selbstständig zu erschließen.
Geht es aber um Notenschriften für bestimmte Stile, Instrumente oder Lerntypen, so kann eine alternative Notenschrift durchaus die Lösung sein. Dabei sollte es sich allerdings um eine ausgereifte und erprobte Schrift handeln, die auch Möglichkeiten des selbstständigen Lernens ermöglicht.
Hingewiesen werden sollte an dieser Stelle auch noch einmal auf die technischen Möglichen der heutigen Zeit. Diese ermöglichen es, dass Schriften schnell und sehr genau geschrieben und übersetzt werden können. Auch können mit recht wenig Ressourcen individuelle Lernmittel für jeden Typ des Lernens entwickelt werden, was eine große Chance gegenüber vergangenen Jahrhunderte ist.
[Q01]: vgl. Miller, M., Bonnici, A., El-Assady, M.: Augmenting music sheets with harmonic fingerprints, 2019 (https://el-assady.com/publication/2019milleraugmenting/2019milleraugmenting.pdf, Stand 27.10.2025)
[Q02]: Lehmann, A. C.: Vomblattspiel und Erkennen musikalischer Formen. In: Bruhn, H., Oerter, R., Rösing, H. (Hrsg.): Musikpsychologie – Ein Handbuch. 1993
[Q03]: Gaare, M.: Alternatives to traditional notation, 1997 (https://journals.sagepub.com/doi/10.2307/3399003?icid=int.sj-abstract.similar-articles.1, Stand 27.05.2025)
[Q04]: Kuo, Y., Chuang, M.: A proposal of a color music notation system on a single melody for music beginners, 2013 (https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/0255761413489082, Stand 27.10.2025)
[Q05]: Sabrowski, A.: Legasthenie im Instrumentalunterricht, 2019
[Q06]: RNIB: Introduction Modified Stave Notation (https://www.rnib.org.uk/living-with-sight-loss/education-and-learning/music-education/modified-stave-notation/, Stand 27.10.2025)
[Q07]: Wikipedia: numbered musical notation (https://en.wikipedia.org/wiki/Numbered_musical_notation, Stand 27.10.2025)
[Q08]: Stichting Klavarskribo (www.klavarscribo.eu/en/, Stand 27.10.2025)










